Eine närrische Feuerprobe

Mainzer erlauben sich gelegentlich einen Scherz über die Nachbarn aus Wiesbaden. „Weißt Du, was das Schönste an Wiesbaden ist...? Na, der Sechser-Bus. Der fährt nach Meenz.“ Unnötig zu erwähnen, dass der Witz umgekehrt auch von der anderen Rheinseite aus funktioniert.

Die vielbeschworene Hassliebe zwischen den beiden Landeshauptstädten drückt sich überwiegend in der närrischen Zeit aus, also genau jetzt. Und ausgerechnet jetzt wagt sich unsere Tochter FFR mit der Verkehrssicherung auf ein Parkett, das rutschiger kaum sein könnte: die Theodor-Heuss-Brücke, die wichtigste und im Prinzip einzige Verkehrsverbindung zwischen beiden Städten.

Das Bauwerk, über das täglich 43.000 Fahrzeuge rollen, muss dringend saniert werden. Bau- und Straßenverkehrsämter beider Städte sind beteiligt. Von Marcel Heßling und Lucas Hartmann von der FFR-Verkehrssicherung ist also die hohe Diplomatie verlangt. Dazu kommt das öffentliche Interesse: In beiden Städten gibt es derzeit wohl kein wichtigeres Thema.

Zum Glück können die Kollegen auf einen reichen Erfahrungsschatz bauen: die Einheitsfeierlichkeiten in Mainz, der Gutenberg-Marathon, der Bau der Mainzelbahn und sogar bei der Mainzer Fastnacht war FFR schon im Einsatz... „Mit diesem Auftrag ist aber nichts vergleichbar“, macht Einsatzleiter Alexander Erlenbach deutlich.

Ab dem 12. Januar wechselt sein Team in einen Dreier-Schicht-Betrieb – für zunächst vier Wochen. An den beiden Zufahrten der Brücke werden mobile Schranken und Ampeln aufgestellt. Gesteuert werden sie 24 Stunden lang durch FFR-Mitarbeiter. In Containern sitzt einer auf der Mainzer, einer auf der Wiesbadener Seite, und zumindest tagsüber werden die beiden über Funk verbundenen Kollegen sehr gefordert sein.

Zuvorderst wegen der Busse: Sechs Linien sollen die Brücke auch während der Sperrung überqueren können. Um den abgeklemmten Autoverkehr zu kompensieren, wird die Taktung erhöht auf 35 Linienbusse pro Stunde. Dazu kommen Fahrzeuge der Rettungsdienste. Und dann sind da noch all jene Fahrzeuge abzufertigen, die nicht über eine der beiden Autobahnbrücken ausweichen können, also leichte Zweiräder. „Es wird Rückstaus geben“, ist sich Erlenbach schon jetzt sicher.

Am meisten Aufsehen erregt derzeit aber eine Ausnahmegenehmigung, die es so wohl nur hier geben kann und die größtes Fingerspitzengefühl erfordert. Fastnachtern, die in den nächsten vier Wochen an einem Abend auf Sitzungen dies- und jenseits des Rheins auftreten, soll ebenfalls der Durchlass gewährt werden. Die Presse spricht bereits von einer „Helau-Spur“.

Dazu muss man wissen, dass die Wiesbadener Stadtteile Kastel, Kostheim und Amöneburg historisch zu Mainz gehörten und erst mit Gründung der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hessen nach dem Zweiten Weltkrieg zu Wiesbaden kamen. Die Fastnachtsvereine haben diese Teilung nie mitgemacht, sondern nehmen nach wie vor selbstverständlich an der Mainzer Fastnacht teil.*

Wie die Fastnachter bei FFR seine Sitzungstermine nachweisen sollen, ist kurz vor Inkrafttreten der Sperrung erst geregelt worden. Sie sollen von den Behörden mit einer Durchfahrtsgenehmigung ausgestattet werden. Diese ist, wie könnte es anders sein, mit einer Narrenkappe versehen. „Zum Glück müssen nicht wir diese Genehmigungen ausstellen“, seufzt Heßling erleichtert. Ohnehin fragt er sich, wie bei derart umfangreichem Ausnahmeverkehr überhaupt eine Brücke saniert werden soll. „Auch das ist zum Glück nicht unser Geschäft.“

Pappnasen, soviel ist sicher, werden die FFR-Mitarbeiter bei der Arbeit nicht tragen. Ob sie selbst Einladungen zu Fastnachtssitzungen erhalten werden, ist angesichts einer derart exponierten Position keineswegs auszuschließen. Erlenbach lacht. „Nach diesem Projekt wäre das sicher angebracht.“ Diese Brückensperrung, soviel ist allen klar, ist ein diplomatischer Hochseilakt für die Wiesbadener Niederlassung. Dessen erfolgreiches Bestehen wäre die Krönung der regionalen Erfolgsgeschichte made by FFR.